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Der Start war alles andere als verheißungsvoll. Als ich mich gegen Weihnachten 1956 mit meiner späteren Frau verlobte, ließ ich mir vorher noch die Mandeln herausoperieren. Mein Mundgeruch störte meine Frau und sie glaubte, dass die Mandeln die Ursache wären. Ich hatte mir für den Aufenthalt in der Klinik die Utensilien für Aquarelle mitgenommen und beschäftigte mich auch mental mit Malerei. In einer Nacht konnte ich nicht schlafen, alptraumhaft verfolgte mich die Vorstellung, dass die moderne Malerei am Ende ihres "Lateins", am Ende ihrer Entwicklung sei. Ich beschloss einen, meinen Beitrag zur Entwicklung der modernen Malerei zu leisten. Wie der aussehen würde, war mir völlig unklar. Zu Neujahr war ich wieder in der Klinik, mit einer Rippenfellentzündung. Ohnedies nicht sehr robust, hatte mich die Mandeloperation zusätzlich geschwächt. Würde meine Verlobte zu mir halten? Nur mühsam kam ich im neuen Jahr wieder auf die Beine. Dabei musste ich wegen der Hochzeit im Juni danach streben, die Zulassung zum Staatsexamen im September zu erreichen. Es musste dazu die umfangreiche Staatsexamens-Zulassungsarbeit (das waren ¾ meiner späteren Dissertation von 485 Seiten) gefertigt werden und natürlich auch das Staatsexamen selbst vorbereitet werden. Eine Woche Hochzeitsreise im Juni war genehmigt. Dann wurde hart, konzentriert und sehr zielstrebig gearbeitet. Vier Wochen hatte ich schließlich nur Zeit für die Examensvorbereitung und schnitt, oh Wunder, als einer der Besten ab. Die Referendarszeit 1957/59 ließ wenig Zeit für das Malen, doch verlangte der zu Weihnachten 1958 von meiner Frau geschenkte Ölfarben-Kasten danach auch genutzt zu werden. So entstand als eines der ersten Bilder das vom Bahnhof in Schweinfurt, 40x50 (zum Bild) . In den Sommerferien 1959 malte ich einige Bilder, ganz im Stile van Goghs (zum Bild 1) (zum Bild 2) : Neusiedler See, 55x75). Aber das war unbefriedigend, ich wollte ja etwas Neues bringen. So kamen schon früh und parallel eigene Versuche zur Abstraktion dazu. Als wir 1961 nach Mainz zogen, besuchte ich einmal eine Ausstellung in der renommierten Galerie Beyer, sie hieß "Plus Weiß", Bilder von Göpfert; ich musste den Galleristen fragen, wo die betreffenden Bilder seien – es waren Leinwände mit einem weißen Additum, es hätte genauso gut ein weißes Vogelexkrement sein können – ich war an diesen Leinwänden auf Staffeleien vorbeigegangen, ohne zu bemerken, dass es die Bilder waren.– 1961 begann die Loslösung vom Vorbild van Gogh mit den Bildern aus Locarno: (zum Bild) Locarno/Orselina – "Das gelbe Haus", 55x78 und besonders (zum Bild) "Lago Maggiore, gesehen von Orselina", 55x78 Es dauerte bis 1966, bis ich vollkommen abstrakt arbeitete, (zum Bild) , Organische Formen, ca. 50x60. 1968 und dann weiter und regelmäßig wurde die Dokumenta in Kassel besucht. Ney beeindruckte mich zunächst ganz stark. Insgesamt war ich jedoch überwältigt von der Fülle an neuen Stilrichtungen und Ideen – von einem Stillstand der Moderne konnte also gar keine Rede sein. Es gab praktisch nichts, was nicht experimentell in Angriff genommen wurde – es musste nur einfach etwas Neues sein, um zu den Avantgardisten zu gehören. Doch eins war klar: Jeder war bemüht, seinen eigenen Weg zu gehen. Es fiel mir auf, dass es keine geistige Bewältigung von Gesamtkunst gab, keine gerichtete, bewusste, reflektierte Entwicklung. Diese ergab sich eher zufällig durch Vergleich der Arbeiten vieler Künstler und die festgestellten Übereinstimmungen, die gewisse Strömungen, Stilrichtungen erkennen ließen. Ansonsten arbeitete jeder für sich drauf zu. Wie Bilder meiner ersten Einzelausstellungen von 1970 (Galerie Moering Wiesbaden, Galerie Gurlitt, Mainz) zeigen ( (zum Bild) : Rote Flecken mit Grün umrahmt von konzentrischen dunkelblauen Streifen, 97x70, 1968, (zum Bild) : Grünblau-/Rosarot-Ausdehnung, 81,5x89, 1969; (zum Bild) : Gelbgrüne Ausdehnung zwischen Preußischblau, 70x100, 1970/I), war ich sehr erfasst von der Idee, das Wesen der Farbe in der Malerei als etwas Fließendes und sich auf der ebenen, horizontalen Fläche Expandierendes darzustellen, eben so, wie sich flüssige Farbe verhält, wenn man sie auf eine Unterlage gießt. So entstanden entsprechende Bilder, die Farbe in +/- organischen Farbausdehnungen zeigten. Malerei wurde zur Darstellung von Farbausdehnungen (die verschiedenen "Farbausdehnungen" bei gescheckten Rindern waren zu einem gewissen Grad Vorbild: (zum Bild) : Linolschnitt aus dem Flyer zur Ausstellung in der Galerie Gurlitt, 1970). Im nächsten Schritt wurden diese +/- großen Farbausdehnungen ausgeschnitten, mittels Schienen (für jede Farbausdehnung eine) in parallelen Ebenen vor eine monochrome Wand gehängt ( (zum Bild) : Drei rotviolette Farbausdehnungen vor einem dunkelblauen Quadrat, 200x200, 1974/75) oder vor das "Negativ" der ausgeschnittenen Formen (Foto: Drei Positivformen vor dem Negativ, 350x200, Galerie Herzer, Frankfurt Höchst, 1971) und so zueinander und in verschiedenen, parallelen Ebenen verschiebbar, als variierbare Kompositionen vorgestellt (beide Kompositionen sind vernichtet). Das Ganze wurde vom Publikum und von der Kritik nicht begriffen und als Spielerei aufgefasst.

Wie bereits erwähnt, war ich sehr stark von van Gogh ergriffen und genauso von Kandinsky und schließlich von Malewitsch mit seinem Zauberwort Suprematismus. Der Weg des Abstraktionsprozesses in der (Tafel)Malerei hatte ja damit, vermeintlich, sein Ende gefunden: es war mit dem "Schwarzen Quadrat" das Äußerste, Höchste, Supreme an Abstraktion erreicht worden. Die Frage nach der Größe des schwarzen Quadrats und dessen Plazierung auf der Leinwand blieb offen ( (zum Bild 1) (zum Bild 2) (zum Bild 3) : Wohin mit dem schwarzen Quadrat?, 100x100, schwarze Acrylplatte auf weißer Stahlplatte) bzw. wurde von Malewitsch durch einzelne fixierte Abwandlungen dieses Motivs zum Ausdruck gebracht. Meine Bemühungen, das Publikum mit variierbaren Kompositionen vertraut zu machen (Materialien zur schöpferischen Mitgestaltung, Galerie Moering, Wiesbaden, 1975), waren zum Scheitern verurteilt. Die Versuche und Objekte wurden weitgehend als Spielereien aufgefasst und abgetan, siehe oben das Objekt, 3 rotviolette organische Ausdehnungen vor einem dunkelblauen Quadrat 200x200. Daneben wurden dort Becherobjekte ( (zum Bild 1) (zum Bild 2) : verschieden einfarbig gefärbte, gleich große Becher auf Steckplatten, 80x100) und ein Flaschenobjekt, (zum Bild) (mit einfarbig gefärbten, gleich großen Plastikflaschen, 110x130), ein Objekt (zum Bild) aus drei freien organischen, blauen Formen, die untereinander mit einem gelben mit Wasser und Luft gefüllten Plastikschlauch verbunden waren, dessen Inhalt durch eine Pumpe in Bewegung gebracht und durch Lichanstrahlung zu entsprechenden Reflexen angeregt wurde wurde, ca. 250x120. Daneben waren (variierbare) Plattenobjekte (zum Bild) und weitere variierbare Objekte zu sehen. Die Wende hin zu variierbaren, konstruktivistischen Kompositionen war eher einem Zufall zu verdanken. 1982 besuchte ich, aus Anlass der Einzelausstellung des befreundeten Keramikerehepaars, Gotlind und Gerald Weigel, im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen dieses Museum und entdeckte dabei das Engagement dieses Museums für die konstruktivistische abstrakte Malerei von Mondrian und Malewitsch. Fast schlagartig war mein weiterer Weg klar, unterstützt auch durch den Beitrag von Karshan in der Festschrift des Museums für Dorner, 1978 (siehe unten): Ich musste dort anknüpfen, wo Malewitsch aufgehört hatte.

1982-1984 ging ich dazu über, die auf einer Stahlblechplatte mittels Magneten befestigten und in der Lokalisierung variierbaren Farbausdehnungen (sowohl irreguläre organische wie geometrische Formen) als variierbare Kompositionen vorzustellen (1983, Ausstellung in Holiday Inn Frankfurt: Kunst – Wissenschaft – Unterhaltung) (zum Bild) : Rote organische Form mit orangefarbener Kreisscheibe auf weißem Quadrat 100x100.- Die geometrischen Formen waren zunächst mit Ölfarbe gefärbte Hartfaserplattenstücke. Besser geeignet waren dann schließlich farbige (oder eingefärbte) Acrylkunstharzplatten, wie ich sie dann in den verschiedensten variierbaren Kompositionen in der Ausstellung von 1992 (Rathaus Mainz-Gonsenheim) präsentierte und wie sie am besten die Fortentwicklung des Suprematismus und die Ableitung von diesem zum Ausdruck bringen; die Trägerplatte ist jeweils 100x100 groß: (zum Bild) (zum Bild) (zum Bild) Elf einzelne Variationen eines Themas und deren (9 Variationen) Fotomontage; (zum Bild 1) (zum Bild 2) Fünf Variationen, die 5. Variation, mit 3 integrierten Variationen an der Basis. (zum Bild 1) (zum Bild 2) Acht Variationen eines "Themas". (zum Bild) Eine variierbare Komposition aus geometrischen, gefärbten Hartfaserplattenteilen. Das Echo auf diese Ausstellung (siehe unten, 1992) war in der Presse mäßig. Der Kritiker wunderte sich indessen, dass diese Werke in Räumen zur Ausstellung kamen, die üblicherweise von Amateurmalern genutzt werden.

Zu den Stationen des klassischen Abstraktionsprozesses in der Malerei

Die erste Station war die Abstraktion von der Gegenstandsfarbe (van Gogh und andere, bis hin zu den Expressionisten, z.B. Nolde).

Im nächsten Schritt war es die Abstraktion von der Gegenstandsform, bzw. vom Gegenstand (Kandinsky, Picasso u.a.). Der Suprematismus von Malewitsch bedeutete auf dieser "Station" das Äußerste an Abstraktion, so wie es sein schwarzes Quadrat zum Ausdruck bringt. Das war der Punkt, der mich in der Alptraumnacht so außerordentlich beunruhigt hatte, dieses "Ende" der Malerei.

Die 3. Station des Abstraktionsprozesses – die Abstraktion von der fixierten Komposition:

Und gerade an dieser Stelle kann die Idee von der variierbaren Komposition ansetzen und die Fortführung des Abstraktionsprozesses überzeugend dargelegt werden. Es ist viel einfacher und für das Verständnis des Zustandekommens der variierbaren Komposition überzeugender, die geometrischen Formen der abstrakten Konstruktivisten (Malewitsch, Mondrian u.a.) auszuschneiden, d.h. vom "Malgrund", von der Tafel zu lösen und durch entsprechende Fixiermöglichkeiten (etwa Kletthaftstoff oder besser mittels Magneten auf einer Stahlblechplatte) für die verschiedenartigsten Kompositionen zur Verfügung zu haben, als mit organischen und irregulären Formen zu arbeiten, wie ich das bis dahin versucht hatte (siehe oben). Aus der fixierten Komposition (etwa von Malewitsch) wird so im letzten Abstraktionsschritt eine variierbare Komposition, bei der durch verschieden hohe Magneten die Farbflächen in verschiedenen Ebenen, sich auch partiell überlagernd, dargestellt werden können, ganz abgesehen davon, dass diese Farbausdehnungen nun auch über die Trägerplatte (die aufgespannte Leinwand des "Tafelbildes") hinausgreifen können. Jetzt wird tatsächlich der Eindruck erreicht, den Donald Karshan in seinem Beitrag in einer hervorragenden Publikation ("Malewitsch-Mondrian – Konstruktion als Konzept", Wilhelm Hack-Museum Ludwigshafen , 1978) zu Ehren des ehemaligen Direktors Dorner, des Museums von Hannover, 1978, erahnend zum Ausdruck bringt. In der Gegenüberstellung der beiden Künstler schreibt Karshan für Malewitsch: "Wir befinden uns im Raum. Die Formelemente seiner Bilder berühren den Rand kaum jemals. Gleichbleibend (schwebend), sich "magnetisch" zusammenziehend oder auf tiefen Bahnen im Raum, sind Malewitschs suprematistische Strukturen ohne jegliche Schwere." Und weiter ..."Eben darin liegt der tiefgreifende Unterschied zwischen dem Holländer und dem Russen. Mondrian gibt uns Halt, Malewitsch wirkt schwindelerregend!".

1992, bei einer Ausstellungseröffnung im Rathaus von Mainz-Gonsenheim, mit meinen Arbeiten und denen meiner Frau, trug ich wieder meine Idee von der variierbaren Komposition als letzte Stufe des Abstraktionsprozesses vor. Ich gab am liebsten selbst die Einführungen zu meinen Ausstellungen und eine Kunstkritikerin, die ich um eine solche Einführung bat und mit der ich über meine Ideen sprach, meinte trocken, dass ich das selbst ja viel besser könne. Nach dieser Ausstellungseröffnung nahm ich Kontakt mit dem Direktor des Hack-Museums in Ludwigshafen, Dr. Holeczek, auf. Er meinte, dass ihn meine Ideen sehr interessierten, weil das Hack-Museum eine bedeutende Sammlung der Konstruktivisten besitze. Der weitere Versuch, mit diesem für mich so wichtigen Mann in engeren Kontakt zu kommen, scheiterte an seinem plötzlichen Tod.

Nicht anders erging es mir, als ich meine Ideen in einer Kunstzeitschrift, dem renommierten "Kunstwerk" veröffentlichen wollte: Es hatte gerade sein Erscheinen eingestellt.- Wieder kam ich zu spät.

Ich hatte keine Zeit mehr, für meine künstlerischen Ideen weiter zu werben – die Sorge für meine Frau und vor allem der ungeheure Zeitaufwand für die Publikation meiner wissenschaftlichen Arbeiten, die im Erscheinen meines vierbändigen Lebenswerkes "Die Larven der europäischen Noctuidae, Revision der Systematik der Noctuidae", 1999-2000, einen scheinbaren Abschluss fanden, verhinderten es. (Anmerkung: Noctuidae = "Eulen", die größte Schmetterlingsfamilie, zugleich eine der fünf artenreichsten Familien des Tierreiches und die Herausforderung für die zoologische Systematik schlechthin).

Noch einmal, ein vorläufig letztes Mal, versuchte ich es, 1994, vor dem Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden mit dem Vortrag "Variierbare Kompostionen als Fortsetzung des Abstraktionsprozesses in der modernen Malerei" für meine Ideen zu werben.

In den Räumen des Vereins befand sich zu dieser Zeit eine Ausstellung zum Kontruktivismus. Ähnlich, wie Karshan, drückte die Betreuerin dieser Ausstellung, Frau Dr. Wiedemann, ihre Empfindung bei unserer gemeinsamen Betrachtung eines Bildes von Malewitsch aus: "Hat man nicht das Empfinden, als würden die geometrischen Formen des Bildes schweben?"

Der Erfolg vor dem Publikum dieses Vereins war nicht anders als der von Gregor Mendel mit seinem Vortrag über die Erbgesetze vor dem naturwissenschaftlichen Verein in Linz: Es war, als wäre der Vortrag nicht gehalten worden – das Publikum hatte nicht begriffen.

Die variierbare Komposition als letzter Schritt im klassischen Abstraktionsprozess der modernen Malerei. Die großartige Bedeutung und die Möglichkeiten der variierbaren Komposition für eine soziale, partnerschaftliche Kunst

In einer variierbaren Komposition mit geometrischen Formen können diese konkreten Farbausdehnungen theoretisch und praktisch beliebig viele Positionen einnehmen und somit viele Kompositionen mit dem gleichen Material ermöglichen, Abbildungen von Beispielen: siehe oben. Hierzu werden geometrische Flächen, auf einem Hintergrund haftbar, zur Verfügung gestellt und zu einer Grundkomposition, dem "Thema" geordnet. Um daraus entwickelte "Variationen" festzuhalten, werden diese, genauso wie das "Thema", fotografisch fixiert. So können vor allem eigene Vorstellungen des Künstlers präsentiert werden. Darüber hinaus ergibt sich aber die Möglichkeit, dass ein (möglichst kunstverständiger) Betrachter sich durch eigene Vorstellungen und Kompositionen, bzw. Variationen beteiligt und mit einbringt. So kann durch die variierbare Komposition eine echte Partnerschaft zwischen Künstler und Betrachter entstehen, die Kunst wird zum Sozialisator. Um der Kontinuität des Abstraktionsprozesses willen ist es wesentlich, dass sich bei dieser Art von variierbarer Komposition das "Geschehen" nach wie vor auf einer "Tafel" oder vor einer Ebene abspielt, um die Ableitung dieser variierbaren Komposition von der Tafelmalerei und damit als Fortsetzung des klassischen Abstraktionsprozesses zum Ausdruck zu bringen.– Es wird also nicht an Ergebnisse im Sinne der Mobiles von Calder gedacht. Allerdings gibt es, einmal mit dem Wesen der variierbaren Komposition vertraut, dann viele Möglichkeiten, variierbare Kompositionen anderer Art zu erfinden. Einige Beispiele habe ich bereits 1975 im Atelier Moering, in Wiesbaden, vorgestellt unter dem Thema: Materialien zur schöpferischen Mitgestaltung, Abb. siehe oben. Einige der variierbaren "Objekte" waren als Steckobjekte konstruiert: gleich große farbige Gefäße, gleichsam pointillistische Farbflecken konnten innerhalb des Steckgerüsts in verschiedene Positionen gebracht und damit unterschiedliche Kompositionen erzielt werden. Ein Berichterstatter des SW-Rundfunks sprach in diesem Zusammenhang von dieser Ausstellung als von einer "Spielwiese".

Die Akzeptanz variierbarer Kompositionen durch das Publikum

Wenngleich das Problem variierbarer Kompositionen theoretisch gelöst war, so bereitete deren Annahme durch das Publikum und besonders durch Künstlerkollegen große Schwierigkeiten. Die Künstler sahen ihr eigenes schöpferisches Monopol, ihre Authentizität gefährdet. Um dem Einwand kindlicher Spielereien ("Spielwiese") zu begegnen, musste, entsprechend dem hohen Anspruch, einen Beitrag zur Entwicklung, zur "Evolution" der modernen Kunst leisten zu wollen, dieser Bezug klarer herausgestellt werden. Die (gegenüber variierbaren Kompositionen mit organischen Formen) korrigierte Richtung lautet: Verwendung geometrischer Flächen im Sinne von Malewitsch. Im einfachsten Fall wäre dies z.B. die Umwandlung von dessen Komposition mit dem zentral "fixierten" schwarzen Quadrat in ein variierbares Objekt, im Sinne von: "Wohin mit dem schwarzen Quadrat?" (Abb., siehe oben). Damit ist einerseits die Fortentwicklung des Abstraktionsprozesses klar herausgestellt und andererseits die Ernsthaftigkeit und Legitimation des Anliegens unterstrichen.

Eigene Vorträge / Einführungen / Texte zu Ausstellungen von Herbert Beck

Herbert Beck, März 1983. Ausstellung im Holiday Inn Frankfurt-Höchst (mit Ergänzungen 2012, nach Besuch des Neubaus des Städel-Museums in Frankfurt mit der Ausstellung Gegenwartskunst)


Variierbare Kompositionen - eine neue Phase im Abstraktionsprozess

Eine Chance des abstrakten Konstruktivismus ist bis heute nicht genutzt worden: die bewusste Entwicklung von variierbaren Kompositionen mit der Möglichkeit der Einbeziehung des Betrachters als Mitgestalter. Die Idee der variierbaren Komposition geht davon aus, dass Bildelemente (hier "Farbausdehnungen") eines abstrahierten Bildes (Objektes) zu verschiedenen Zeiten (in Abhängigkeit von Stimmungen oder Überlegungen des Schöpfers oder Betrachters) verschiedene Lagebeziehungen zueinander haben können. Dem wird Rechnung getragen durch eine Verselbständigung dieser Bildelemente zu frei verfügbaren Farbausdehnungen, die auf einem geeigneten Untergrund, z.B. auf einer Metall(Stahlblech)platte mittels Magneten, beliebig angeordnet werden können. Umrisszeichnungen/Lagepläne der Farbausdehnungen, Fotos oder Steckpläne können neben der dargebotenen Komposition weitere Kompositionsmöglichkeiten andeuten und den Betrachter zu ihm gemäßen Kompositionen anregen. Diese Art von Kunst bezieht den Betrachter, im Gegensatz zu Tendenzen der Aktionskunst (Walther, Dokumenta 6, Dokumenta 7) oder von Happenings, als vollwertigen Partner ein. Sie ist ein Stück Abbau von "Mauern" zwischen Künstler und Betrachter... .

Der Weg zu variierbaren Kompositionen

Wenn man die verschiedenen Wege zur totalen Abstraktion verfolgt (Kandinsky, Mondrian, Malewitsch u.a.), dann enden sie in der Reduktion auf möglichst assoziationsfreie Farbausdehnungen in Form geometrischer Flächen innerhalb fixierter Kompositionen auf einer Ebene (eben derjenigen der Leinwand des Tafelbildes) = Konstruktivismus*). Ansätze zur Überwindung dieser Phase finden sich bei Gabo und Moholy-Nagy (Raumkompositionen mit bewegbaren Elementen - mittels Motor - auf festgelegten Bahnen), v. Graevenitz bleibt damit in der Tafelbildebene (Museen Wiesbaden und Städel Frankfurt) und wie die gegenwärtige (2012) Ausstellung im Städel zeigt, auch bei Hermann Glöckner (1933!), Herbert Aulich in seiner Reliefflächenspannung (1969) und Michael Riedel (2008) mit seinen Positiv/Negativ-Kompositionen (vgl. auch Beck, 1972, Ausstellung Auto-Union Frankfurt/Höchst). Bemühungen um Dynamisierung von Kompositionselementen lassen sich nach dem 2. Weltkrieg (z.B. auf den verschiedenen Dokumenta-Ausstellungen in Kassel) verfolgen: so dreidimensionale Objekte mit Motor und Transmissionen zur Bewegung der Einzelteile (Tinguely, Kramer, Haese). Diesen Versuchen zu einer größeren Freiheit für den Betrachter in der abstrakten Kunst bleibt gemeinsam: Bewegung der Objektelemente auf vorgegebenen Bahnen - der Betrachter darf "den Knopf drücken".

Eine Chance des Konstruktivismus ist damit nicht genutzt worden (siehe oben): die Konstruktion und Darbietung variierbarer Kompositionen (oder Objekte), die an den Suprematismus von Malewitsch anknüpfen und die in ihrer Einfachheit und Überschaubarkeit der Bildelemente und der einsehbaren leichten Handhabung den Betrachter geradezu zur Mitgestaltung einladen.

Inwieweit Agam (Dokumenta 3), dem Prinzip der variierbaren Komposition, entsprechende Ideen vorschwebten, ist bei seinen aus einheitlichen linearen Elementen aufgebauten "wandelbaren" Bildern nicht ersichtlich.

Tendenzen in Bezug auf variierbare Kompositionen oder eine entsprechende Einbeziehung des Betrachters in den Gestaltungsprozess finden sich in den letzten Jahren (vor 1983) nur andeutungsweise (Busse, Objekt mit 9 beweglichen Teilen, Kunstreport 1974; Talman, Kugelbild, dokumenta 4, Nestler, informationen dokumenta 6; Walther Dokumenta 6/7 und andere.

In keinem Fall wird der oben angedeuteten möglichen Autonomie des Betrachters als gleichwertigem Mitgestalter Rechnung getragen, da sich dessen Möglichkeiten entweder im Bereich des Spielerischen (sein eigener Freiheitsraum ist zu stark eingeengt oder seine Kreativität wird unterfordert, so bei Busse, Talman) oder im Bereich einer uninteressierten Distanz (Müll-Assemblagen von Cragg, dokumenta 7, Installationen von Barry le Va) befinden. Sie können den Betrachter nicht zu einer Mitgestaltung motivieren.

Obwohl Fruhtrunk in seinen frühen Werken (1954/56) Malewitsch gefolgt ist, kehrte er in seinen späteren Werken 1965-1968 (Dokumenta 4) wieder zu flächen- und bildfüllenden, durchkomponierten Bildern zurück. Mit anderen Worten: Was Karshan (Beitrag in der Festschrift des Hack-Museums Ludwigshafen zu Ehren von Dorner, 1977) bei seinem Vergleich von Mondrian und Malewitsch zutiefst bei den Kompositionen von Malewitsch empfindet, nämlich die scheinbare Freiheit der geometrischen Bildelemente (Farbausdehnungen) - „Wir befinden uns im Raum. Die Formelemente seiner Bilder berühren den Rand kaum jemals. Gleich bleibend (schwebend), sich "magnetisch" zusammenziehend oder auf tiefen Bahnen im Raum, sind Malewitsch ’ suprematistische Strukturen ohne jegliche Schwere “ - ist, abgesehen von den eigenen Versuchen, bis jetzt nicht realisiert worden und auch auf den Dokumenta-Ausstellungen nicht zum Ausdruck gebracht worden.---

*) In den "informationen dokumenta 5" heißt es unter dem Begriff Minimal-art: „ ... Die Anregungen der konstruktivistischen Russen ... und Holländer ... wurden konsequent zu Ende gedacht und zu Ende geführt.“ Die obigen Ausführungen widerlegen eindeutig diesen Standpunkt. Es handelt sich lediglich um eine Übertragung der entsprechenden Gestaltungsprinzipien auf die Plastik, Bildhauerei, etc.


08. 07. 2010

Ausstellungen:
Inzwischen sind schon drei Ausstellungen geplant – eine im September/Oktober 2010 im mittelfränkischen Seengebiet (dem See-Zentrum in Muhr), eine zweite, einwöchige, im Rathaus von Mainz-Gonsenheim, vom 9.1.-16.1. 2011. Eine 3. Ausstellung vom April bis Oktober 2011, in der Stadt Merkendorf in Mittelfranken, wo ich von 1945-1957 wohnte.

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05. 07. 2010

Auftakt:
Mit 13 Bildern – nun in der dafür so sehr geeigneten Praxis der Augenärzte Dr. Schriever & Kollegen, am Brand 12, in 55116 Mainz, vom 8.März 2010 bis auf weiteres.

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